Franz Kafka (1883–1924): Ein Rätsel, das immer modern bleibt Interpretation einer Szene aus Kafkas Der Prozess. © ZEIT ONLINE/Jonathan SterzKafkas Werk steht für sich: Es ragt aus dem Fundus moderner Literatur heraus wie kein anderes. Was macht gerade die Texte Franz Kafkas so unverwechselbar? Kafkas Protagonisten haben es schwer. Sie erwachen aus unruhigen Träumen und finden sich im Bett zu einem Ungeziefer verwandelt. Sie werden angeklagt und aufs Schaffott geführt, ohne dass sie wüssten warum. Ein Mann verendet nach lebenslangem Warten auf Einlass am Tor. Ein anderer ertränkt sich im Fluss, weil sein Vater es ihm befiehlt. Alptraumhafte Szenarien kennzeichnen Kafkas Werk. Er beschreibt sie mit derselben kühlen Distanz eines Bürokraten, die oft auch seine Figuren beseelt. Gerade dieser Stil, das Zurückgenommene gegenüber dem Unerhörten, macht Kafkas Erzählungen auf eine einzigartige Weise unergründlich. So unergründlich sogar, dass es dafür ein eigenes Adjektiv gibt. Sehr wohl können wir aber ergründen, was das Kafkaeske ausmacht. Wie kann man Kafka interpretieren? Was sind seine wichtigsten Werke? Und woher kommt Kafka überhaupt? Was ist er für ein Mensch? Mit diesen und weiteren Fragen, die für die Unterrichtsvorbereitung oder das Lernen vor den Klausuren relevant sein können, beschäftigen wir uns in diesem Text. Zur Person Franz Kafka Gerade die Bürokratie bereitet Kafka viel Sorge: Ein lähmender Bürokratieapparat begleitet viele der Figuren aus seinen Geschichten. Oft kreisen Kafkas Erzählungen um das Thema Justiz. Ein Blick auf Kafkas Biografie erklärt, warum das Thema ihn so sehr beschäftigt. 1883 wird Kafka in eine jüdische Kaufmannsfamilie in Prag geboren. Kafka wächst in einer großen deutschsprachigen Enklave mitten in Prag auf, seine Familie spricht Deutsch. Deutsche Schulen, Universitäten, Theater und Zeitungen prägen seine kulturelle Umgebung. Die Kulturstadt Prag wird zeitlebens Kafkas Lebensmittelpunkt darstellen. Schon zu Schulzeiten interessiert sich Kafka für Literatur. Trotzdem kann er sich nicht dazu durchringen, ein literaturwissenschaftliches Studium aufzunehmen. Sein autoritärer und geschäftstüchtiger Vater, Hermann Kafka, drängt ihn dazu, Jura zu studieren. Unterschiedlicher könnten Vater und Sohn kaum sein: Hermann Kafka hat sich aus armen Verhältnissen hochgearbeitet und es zu beruflichem Erfolg gebracht. Er führt ein bürgerliches Leben. Franz interessieren solch lebensweltliche Dinge nur wenig. Verständnis dafür sucht er bei seinem Vater vergeblich. Franz Kafkas Sensibilität und Feingeist legt ihm der Vater als Schwäche aus. Gegenüber dem Sohn verhält sich Hermann Kafka despotisch, grob und selbstgerecht. Der Vater-Sohn-Konflikt wird Franz Kafka zeitlebens verfolgen und zieht sich leitmotivisch durch sein gesamtes literarisches Werk. Dem Wunsch nach Anerkennung vom jähzornigen Vater folgend, schließt Franz Kafka das Jurastudium ab und promoviert. Anschließend arbeitet er erfolgreich als Jurist in einem Versicherungsunternehmen. Seiner Leidenschaft – der Literatur – geht er im Privaten aber weiterhin nach. Er schließt sich Autorenzirkeln in Kaffeehäusern an, bei denen sich Prager Literaten treffen und über ihre Texte diskutieren. Hier macht Kafka Bekanntschaft mit dem Schriftsteller Max Brod, der sein engster Freund und Vertrauter wird. Die beiden unterscheiden sich stark. Doch Brod wird Kafka sein Leben lang unterstützen und beraten. Brod ist es auch, der Kafka zum weiteren Schreiben und zur Veröffentlichung seiner Texte drängt. Damit ist der von Selbstzweifeln geplagte Kafka jedoch sehr vorsichtig. Nur ein Bruchteil seiner Texte erscheint zu seinen Lebzeiten. Nach Kafkas Tod an Tuberkulose 1924 trifft Brod eine schwerwiegende Entscheidung: Kafka wollte all seine unveröffentlichten Manuskripte verbrannt wissen. Doch entgegen seiner an Max Brod adressierten Verfügung entschließt sich sein bester Freund dazu, Kafkas Texte posthum zu veröffentlichen. Keine leichte Entscheidung. Aber hätte Max Brod Kafkas Willen befolgt, gäbe es heute einige Meisterwerke der Weltliteratur weniger. Kafkas Schreiben: Präzise Sprache, verwirrte Handlung, angepasste CharaktereUm Kafkas ganz spezifischen Stil zu verstehen, sollte man einige seiner wichtigsten Werke genauer betrachten. In den Jahren 1912 und 1913 hat Kafka eine äußerst produktive Schaffensphase. Mit seiner Novelle Das Urteil erreicht der Schriftsteller einen Durchbruch. Sie gehört zu den wenigen Texten, die Kafka zu Lebzeiten veröffentlicht. Mit ihr beginnt außerdem die Herausbildung von Kafkas ganz persönlichem Stil.
0 Comments
Your comment will be posted after it is approved.
Leave a Reply. |